Workation – Eine Chance für ländliche Räume

New Work in historischen Mauern

„New Work“ und „Workation“ lauten spätestens seit der Corona-Pandemie die meistgenutzten Schlagworte für remote Arbeit in attraktiver Umgebung – sei es auf Zeit oder auch auf Dauer. Aber was hat der ländliche Raum davon, wenn die „Digitalen (Stadt-) Nomaden“ sich hier breitmachen?  

© Daniel Zenker

Um den letzten Band ihrer Harry-Potter-Romane zu vollenden, zog sich J.K. Rowling in ein Hotel zurück. Erfolgreich, wie man heute weiß. Die Arbeitsatmosphäre auf Zeit zu ändern, kann einem neuen Auftrieb geben und Inspirationsanreize bieten. Es gibt bereits viele Firmen, die sich etwa für ein Workshop-Wochenende neue, ungewöhnliche Arbeitsplätze mieten. Und das besonders gerne auf dem Land. Sei es auf einem echten Bauernhof oder auf einem Almbad inmitten ursprünglicher Natur. Und auch Einheimische suchen sich dank der Digitalisierung oft lieber einen Schreibtisch vor Ort, um nicht mehr täglich pendeln zu müssen.

Wie aber sieht „New Work“ auf dem Dorf oder in der Kleinstadt im ländlichen Bayern genau aus?

Moderne Landliebe

Das fränkische Zenntal ist noch ein Geheimtipp. Eine halbe Autostunde westlich von Nürnberg spitzen Kirchtürme zwischen sanft gewellten Hügeln und Streuobstwiesen hervor. Das Städtchen Neuhof an der Zenn sieht mit seinem gepflasterten Marktplatz, den Fachwerkhäusern und dem „Landgasthof Riesengebirge“ aus wie aus einem historischen Märchenbuch. Doch auf dem alten Bauernhof am Marktplatz sieht man moderne Sitzsäcke auf der Wiese und Vitra-Designstühle im Treibhaus und in aufgeschnittenen Containern sitzen junge Menschen vor ihren Laptops. Der New-Work-Campus im Barockbauernhof heißt „Gutshof 9″ und gehört zu der Neue Höfe GmbH, einem Unternehmen für besondere Arbeitsorte auf dem Land, das Schmutzer zusammen mit seiner Schwester Sabine Sauber gegründet hat.

Der gebürtige Fürther schuf bereits 2008 seine „Design Offices“, doch der Trubel in den Metropolen interessiert ihn immer weniger. „Unglaublich, welches Potential das Land für New Work hat“, schwärmt er und führt begeistert durch den historischen Bauern­hof. Über knarzende Treppen erreicht man Coworking-Studios, eingerichtet mit Kachelöfen, Sofas und 55-Zoll-Flatscreens. Es gibt auch eine sogenannte „Macherscheune“ für Workshops, in der man zwischen sandgestrahltem Fachwerk, Zementboden und mintgrünen Designsesseln ungestört kreativ sein kann.

Die Macherscheune in den "Neuen Höfen" © Daniel Zenker

Gemeinsam arbeiten statt einzeln pendeln

Seit tägliche Präsenz am Unternehmensort nicht mehr zwingend erwartet wird, bringt der digitale Wandel besonders auch dem ländlichen Raum große Chancen. Es entstehen auch dort immer mehr Coworking-Spaces und moderne Arbeitsplatzkonzepte, die beste Voraussetzungen für Kreativität und eine neue Form der Zusammenarbeit bieten.

Und nicht nur das: Wer nicht mehr so oft ins Büro pendelt, tut etwas für den eigenen Geldbeutel, die Energiebilanz und für ein nachhaltigeres Leben. Attraktiv ist diese neue Arbeitswelt auch für Menschen, die schon immer aufs Land ziehen wollten und nun die Chance dazu haben, ohne ihren Arbeitgeber wechseln zu müssen.

Auch manche Unternehmen mieten sich direkt in einen Coworking-Space ein. Im „Gutshof 9“ zum Beispiel hat ein Nürnberger Softwareunternehmen ein Büro angemietet. Vier Mitarbeiter des Unternehmens arbeiten dort nun in inspirierender Gemeinschaft – und „gehen zusammen mittags zum Essen“, so Schmutzer. Nicht nur ein positiver Einzelfall, wie die Bertelsmann Stiftung in einer Studie feststellte: Generell hat das neue Arbeiten in gemeinschaftlich genutzten Räumen „viel Potenzial für die nachhaltige Belebung strukturschwacher Regionen.“

Almbad Sillberghaus
Almbad Sillberghaus © Daniel Roos Fotografie

Workation – Höhenluft und schnelles Internet

Auf Zeit den Arbeitsort zu wechseln und gleichzeitig Urlaub machen, das bedeutet „Workation“. In Oberbayern geht das zum Beispiel bei Peter Kirchberger; er vermietet in Bayrischzell und Schliersee zwei Alm­hütten mit Badebereich, das „Almbad Sillberghaus“ und das „Almbad Huberspitz“. Dort findet man auf 1.100 Metern Höhe Beamer, Leinwand, Flipcharts und sogar schnelles Internet, aber auch regionale Bio-Küche. Das Erfolgsrezept der Almbad-Locations ist für Kirchberger die Nähe zur Natur: „Du kannst dich mit deinen Leuten an den Waldrand setzen oder zum Wandern gehen. Das schafft neue und tiefere Verbindungen im Team.“

Ob man nun im Almbad, in der Scheune oder lieber auf dem Bauernhof an einem neuen Bestseller arbeitet, ist jedem selbst überlassen. Eine Sache ist jedoch gewiss: Digitales Nomadentum und ortsunabhängiges Arbeiten werden die Arbeits- und Lebenskultur für alle Beteiligten nachhaltig verändern. Zudem ist es eine Chance für Tourismus- und Wirtschaftsverbände im ländlichen Raum optimale Voraussetzungen für Workation-Aufenthalte und mobiles Arbeiten zu schaffen.

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