Auffi – aber zu Fuß!
Wie der Tourismus dazu beiträgt, Traditionen und Bräuche zu erhalten
Ramsau geht seinen Weg, auf die Berge und in die Zukunft. Als Bergsteigerdorf ist man der Tradition verpflichtet, kein Problem für das Dorf, seit das Alte das neue Moderne ist.
Wer in Ramsau mit Tourenski auf einen Berg geht – trägt aktiv zur Erhaltung der Kultur bei. Auch wenn viele Skitourengeher*innen wahrscheinlich einfach nur die fantastische Bergwelt genießen. Ramsau ist ein Bergsteigerdorf. Das bedeutet, es wurde 2015 als erster deutscher Ort in diese vom Alpenverein initiierte, exklusive Riege aufgenommen. Die Auswahlkriterien sind streng: Die Bergdörfer müssen unter anderem fernab des Massentourismus eine Vorreiterrolle im umweltschonenden Bergsporturlaub einnehmen, perfekt also fürs Tourengehen.
Dabei hatte auch Ramsau Pläne, ein stinknormaler Wintersportort zu werden. Mit modernen Skiliften und allem, was dazu gehört. Aber Gegenstimmen setzten auf Tradition statt auf Moderne, so mancher musste sich Vorwürfe als Ewiggestriger anhören. Aber erstaunlicherweise haben sich die Dinge geändert – heute ist die Tradition das Moderne. Skitourengehen boomt, immer mehr Menschen wollen lieber zu Fuß auffi, anstatt sich von Liften hinaufbringen zu lassen. So bestätigt jeder, der im Winter Felle unter seine Ski klebt und losspurt, dass die Ramsauer Recht hatten, als sie sich in den 1970ern gegen Skilifte entschieden, und sogar besonders fortschrittlich waren in ihrem Pochen auf Tradition. Und auf Naturschnee, denn Schneekanonen gibt es bis heute nicht. Befürchtungen, der Ort könne ohne moderne Skilifte veröden, haben sich nicht bewahrheitet. Auf 1800 Einwohner kommen 300 000 Übernachtungen im Jahr – in kleinen Hotels und Pensionen.
Der Alpinismus hat das kleine Dorf am Fuße des Watzmann früh geprägt. Vor dem Rathaus erinnert ein Gedenkstein an den Holzknecht und Bergführer Johann Grill, der 1881 erstmals die Ostwand des Watzmanns durchstieg. Heute kann der heilklimatische Kurort auf Bergsport in intakter Natur setzen, denn weite Teile der Gemeindefläche von Ramsau liegen im 1978 gegründeten Nationalpark Berchtesgaden. Der Grundstein für einen sanften Tourismus war damit gelegt.
Bergsteigerdörfer stehen für ein Tourismusangebot, das auf Bergsteiger ausgerichtet ist, und setzen sich für die Bewahrung der örtlichen Kultur- und Naturwerte ein. Verbiegen musste sich Ramsau für das von der Alpenkonvention kontrollierte Prädikat nicht. „Ein naturverbundener, ressourcenschonender Tourismus wurde hier schon immer gelebt“, erklärt Martha Graßl, Leiterin der Touristinfo in Ramsau. Rund um die Gebirgsseen spannt sich ein großzügiges Wanderwegenetz; bei geführten Klettersteig- und Bergtouren kommen Gäste und Einheimische ins Lattengebirge, auf die Reiteralm und auf den Hochkalter.
„In Ramsau dürfen Mensch und Natur noch in Einklang sein“, findet auch Bergführer Hubert Nagl. Der drahtige Mann mit sonnengebräuntem Gesicht ist seit über 35 Jahren als staatlich geprüfter Bergführer tätig. Kein Gebiet kennt er so gut wie die Berchtesgadener Alpen, wo er in Ramsau seine eigene Bergschule eröffnet hat. Das schroffe Gestein, die gewaltigen Formen, die seltenen Pflanzen – es ist die wilde Alpenwelt, für die er seine Gäste begeistern möchte.
Gastgeber beteiligen sich ebenfalls an dem alternativen Tourismuskonzept, das Ramsaus Ursprünglichkeit bewahren und erlebbar machen möchte. Viele Hotels, Pensionen und Gaststätten verarbeiten lokale Produkte. Auf den Almhütten werden Käse- und Speckbrotzeiten aus eigener Produktion serviert. Das Bergsteigen in unberührter Natur soll den Alpenort gerade in Zeiten des Klimawandels für die Zukunft rüsten. Graßl: „Nur wenn wir ihre Grenzen respektieren, kann unsere Natur auch in Zukunft ein echter Erholungsort für Einheimische und Touristen sein.“
Und dank der vielen Besucher gibt es auch für den ortsansässigen Gebirgstrachtenerhaltungsverein genug Gelegenheiten, die Tradition stolz herzuzeigen. So tragen die Gäste dazu bei, dass Schuhplattler genügend Zuschauer bekommt.