Mit Überzeugung nachhaltig in die Zukunft

Interview mit Prof. Dr. Alfred Bauer

Umweltfreundliche Angebote, (natur-)bewusste Besucher, gelenkte Gästeströme, sinnvolles Wachstum in der Fläche – so könnte nach einer Studie der Hochschule Kempten der Tourismus in Bayern im Jahr 2040 aussehen. „Neue Verträglichkeit“ heißt das Szenario. Nur ein schöner Traum? In diesem Interview beantwortet Prof. Alfred Bauer die wichtigsten Fragen dazu.

Prof. Dr. Alfred Bauer © BZT

Herr Prof. Bauer, wie könnte der Tourismus in Bayern im Jahr 2040 aussehen?

Das Zukunfts-Szenario „Neue Verträglichkeit“ beschreibt eine Tourismuswelt, die der Klimawandel dazu gebracht hat, Umwelt und Soziales besser miteinander zu verzahnen. Der Staat greift stärker lenkend ein, doch die Allgemeinheit sieht Nachhaltigkeit ohnehin positiv und alle machen voller Überzeugung mit. Die Akteur*innen in der Wirtschaft sehen Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil. Wachstum findet nicht mehr vertikal in den Hotspots statt, sondern in der Fläche, über das ganze Land verteilt.

Wie kann dieses Szenario Wirklichkeit werden?

Das gemeinsame Ziel heißt Nachhaltigkeit; die Natur wird auch in Zukunft unsere Lebens- und Wirtschaftsgrundlage sein. Um den Tourismusstandort Bayern zukunftsfest zu machen, muss die Politik die Akteure lenkend unterstützen, damit die Klimaziele erreicht werden und Destinationen sowie Unternehmen umwelt- und sozialverträgliche gesellschaftspolitische Ziele umsetzen können. Das steht so ähnlich auch im Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode.

Also muss vor allem die Politik handeln?

Nein, alle sind in der Pflicht. Die Unternehmen müssen erkennen, dass sie durch Anpassungsstrategien an den Klimawandel an Attraktivität gegenüber anderen Destinationen gewinnen. Die Menschen wiederum müssen sich ihrer persönlichen Verantwortung bewusst werden und ihre Lebensgewohnheiten ändern – auch ihr Urlaubsverhalten.

Bedeutet das, wir sollten weniger reisen?

Nicht unbedingt, die Menschen werden nach wie vor reisen. Die postmateriell eingestellten Touristen werden ihre Reiseziele aber nach nachhaltigen Aspekten auswählen und umweltverträglich reisen. Sie suchen Erlebnis und Sinnerfahrung. Das alles bedeutet nicht unbedingt Verzicht, sondern einen bewussteren Konsum, bei dem neben regionaler Qualität auch die Dienstleistung gefordert ist. Ganz wichtig ist dabei: Die „Neue Verträglichkeit“ trennt nicht zwischen Ansprüchen der Einheimischen und der Gäste an den gemeinsam genutzten Raum. Ein Ort oder eine Region steht allen gleichermaßen zur Verfügung – für die Lebens-, Arbeits- und Freizeitansprüche der Einheimischen und für die Urlaubswünsche der Touristen.

Welche Instrumente eignen sich denn für die Besucherlenkung?

Es werden vielfältige Maßnahmen diskutiert und schon umgesetzt: Höhere Parkgebühren, smarte Parkraumbewirtschaftung mittels Sensorik und Vorabbuchung von Parktickets, Ausweitung oder Limitierung von Kapazitäten. Entscheidend sind aber vor allem aktuelle Informationen über die Besuchsregionen, wobei der digitale „Ausflugsticker Bayern“ weiterhelfen soll.

Welche Schwierigkeiten bringt dieses Zukunftsszenario mit sich?

Die Menschen müssen ihre Lebensgewohnheiten und auch ihr Urlaubsverhalten ändern. Allerdings tut sich eine Lücke zwischen beabsichtigtem und tatsächlichem Verhalten auf, der sogenannte „Attitude-Behaviour-Gap“: Man möchte zwar nachhaltig handeln, aber nur vier Prozent der Deutschen konsumieren im Alltag „immer“ nachhaltig. Bei Urlaubsreisen spielt Nachhaltigkeit für 15 Prozent eine entscheidende Rolle. Ein Fünftel der deutschen Bevölkerung meint, nachhaltig reisen sei teuer, bemängelt fehlende Informationen und verbindet mit nachhaltigen Reisen einen hohen Planungsaufwand oder möchte sich im Urlaub über Nachhaltigkeit keine Gedanken machen.

Aber das Szenario der „Neuen Verträglichkeit“ ist dennoch erstrebenswert?

Ja, denn es geht um die Gestaltung attraktiver Lebens- und Urlaubsräume durch einen Tourismus, der ein umwelt- und sozialverträgliches Maß gefunden hat. Die Balance zwischen den Bedürfnissen der Einheimischen an ihren Alltagsraum und die der Gäste an ihren Urlaubsraum trägt zu einer hohen Lebensqualität für die Bevölkerung und zugleich zu einer hohen Aufenthaltsattraktivität für die Gäste bei.

Sebastian Niedermaier © erlebe.bayern – Dietmar Denger

Typisch bayerisch

Wer in Bayern Urlaub macht, will gut essen und trinken. Nicht nur, aber schon auch. Die Nachfrage der Besucher nach regionaler und nachhaltiger Küche bestärkt diejenigen, die so wirtschaften und schont langfristig zudem die Umwelt. Das freut nicht nur diese Gewerbetreibenden, sondern natürlich auch die einheimischen Kunden.

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