Bodenmais ohne Tourismus?
Salben für alle
Bodenmais liegt mitten im „Woid“, einst Zonenrandgebiet, die tschechische Grenze und damit früher das Ende der Welt nur zehn Kilometer entfernt. Bodenmais hätte als verlassener Grenzort enden können. Dass dort, tief im Bayerischen Wald, heute Arbeit, Schulen und Geschäfte florieren, ist visionären Stadtvätern zu verdanken, die wussten, dass sie nur eine Chance hatten. Den Tourismus
Was soll es denn diese Woche sein? Ein sportliches Training von Bauch-Beine-Po über Skigymnastik bis hin zu Zumba? Oder lieber Autogenes Training, Tiefenentspannung oder Yin Yoga? Die Bodenmaiser können jede Woche aus 25 kostenlosen Kursen im ehemaligen Kurhaus, dem heutigen Vital-Zentrum auswählen – und bezahlen nichts dafür. „Das lassen wir uns schon etwas kosten“, sagt Bürgermeister Joachim „Joli“ Haller, seit zehn Jahren im Amt. Das Angebot gilt für Gäste und Einheimische gleichermaßen. Aber finanzierbar wäre es ohne die Gäste, ohne den Tourismus nicht.
Bodenmais begann als Bergbaudorf, jahrhundertelang wurden aus dem Silberberg Rohstoffe geholt. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg ging es bergab. Es habe aber auch keine ebenen Flächen für Gewerbe gegeben und nur karge Böden, erzählt Haller, sodass es selbst die Landwirtschaft schwer hatte. Man drohte, zum Armenhaus Deutschlands zu werden; die Leute gingen weg. Heute herrscht Vollbeschäftigung. 1.700 Arbeitsplätze der 3700 Einwohner hängen direkt am Tourismus – nicht nur in Hotels, Pensionen und Gastronomie, sondern auch in Handel, Handwerk und Dienstleistungen. Es pendeln mehr Arbeitnehmer*innen nach Bodenmais hinein denn hinaus. Aber wie sähe es hier, 35 km vom nächsten Autobahnanschluss entfernt, ohne Tourismus aus?
Keine Kinder, keine Schule, keine Metzger
Bodenmais heute, das ist das historische Ortszentrum, dazu eine Mischung aus Pensionen, alten Bauernhöfen, Supermärkten, Pubs, Werkstätten, einem Kurpark, Wellnesshotels und einem rosafarben gestrichenen Rathaus. „Ohne Tourismus“, sagt der Bürgermeister, „stünde hier nur die Hälfte der Häuser. Wir hätten keine Kinder, keine Schulen. Keinen Bäcker und keinen Metzger, denn dafür wären wir viel zu klein. Ohne Tourismus“, schließt er, „würden bei uns die Lichter ausgehen.“
Nun aber profitieren auch die Einheimischen vom Angebot eines Tourismusortes. Der Silberberg ist zum „Erlebnisberg“ geworden, mit historischem Besucherbergwerk und Heilstollen, mit Sommerrodelbahn, Naturlehrpfad und Gastronomie. Die Bodenmaiser können sich über ein Hallen- und Freibad freuen, über kostenlosen Musikunterricht und ein Jugendzentrum.
Wo sich alle wohlfühlen
Ein Sorgenkind ist das verwaiste, alte Ortszentrum. Viele Geschäfte stehen leer, kaum ein Mensch ist unterwegs. Doch es gibt einen Plan, gemeinsam mit den Bürgern ausgearbeitet: Das Parken am Marktplatz soll erleichtert werden, eine Freilichtbühne für Spontan-Events entstehen, auf der Wiese hinter dem Forstamt ein „Waldinspirationsgelände“ eingerichtet werden. Auch Häuser wolle man kaufen und Wohnraum schaffen, „damit sich auf den Straßen wieder was rührt“, kündigt Haller an. Eine erste frische Brise ist zu spüren: In der „Alten Post“ hat sich die „Rote Res“ eingerichtet, eine Mischung aus Wirtshaus- und Musikkultur. Es gibt Punkkonzerte, regionale Biersorten und scharfe Kürbissuppe. Auf den Vintage-Sesseln nimmt die einheimische Jugend ebenso Platz wie der ein oder andere neugierige Gast. Denn wie hat es Joli Haller so schön formuliert? „Wo sich der Einheimische wohlfühlt, gefällt es auch dem Touristen.“
Und wer sich beim Sport den Fuß verknackst, bekommt in der Marien-Apotheke eine Salbe. Auch die Apotheke würde es ohne die Gäste nicht geben. „In einem kleinen Ort ohne Tourismus hier im Wald würde ich nie eine Apotheke aufmachen,“ sagt Michaela Herzinger. Ihre Apotheke braucht Touristen, die die hauseigenen Salben und Cremes kaufen, sich den Blutdruck messen lassen und Medikamente kaufen. „Die Hälfte des Umsatzes machen wir mit Gästen.“