Offline in Zeiten von Online? Reisebüros und ihre Rolle für die Tourismuswirtschaft
Interview mit Thomas Bösl, Geschäftsführer der Raiffeisen Tours – RT Reisen GmbH
Reisebüros haben als Urlaubsvermittler stets eine wichtige Rolle für die Tourismuswirtschaft gespielt. Aber ist das heute, in Zeiten von Online-Buchungen, immer noch so? Wir haben mit Thomas Bösl, dem Geschäftsführer der Raiffeisen Tours – RT Reisen GmbH, über die Rolle der bayerischen Reisebüros und die Zusammenhänge zwischen In- und Outbound-Tourismus gesprochen.
Zu Ihrer Firma Raiffeisen Tours – RT Reisen GmbH – gehört auch die rtk-Gruppe, die größte Reisebürokooperation Europas mit derzeit rund 4.200 Reisebüros. Wie viele davon befinden sich in Bayern?
In Bayern haben wir rund 460 Reisebüros.
Welche Aufgaben und Funktionen haben analoge Reisebüros denn heute noch, wo es so viele Informations- und Buchungsmöglichkeiten im Internet gibt?
Der klassische Kunde, der in die Stadt fährt, ein Reisebüro aufsucht, sich hinsetzt und von Anfang an beraten lässt, ist natürlich deutlich seltener geworden. Ganz viele Menschen gehen für die Erstinformation online auf die Suche. Dort sieht zwar alles großartig und bunt aus, aber viele Fragen bleiben offen, zum Beispiel die zum Thema Nachhaltigkeit im Urlaub. Ein Thema, das für Reisende immer wichtiger wird. Für die Beantwortung solcher Fragen ist das Reisebüro immer noch viel besser geeignet.
Die Mitarbeitenden verfügen über ein sehr großes Know-how, haben eine jahrelange Ausbildung durchlaufen und sind „Überzeugungstäter“, weil sie selbst gerne unterwegs sind. Das ist der echte Mehrwert des Reisebüros, so wie auch die direkte Erreichbarkeit und der Mensch-zu-Mensch-Faktor. Gerade während der Pandemie-Jahre haben die Menschen wieder zu schätzen gelernt, was es bedeutet, echte Ansprechpartner in der Region zu haben, die persönlich für sie da sind. Es ist aber auch so, dass die Grenzen zwischen analoger und digitaler Reisebuchung immer mehr verwischen. Auch Reisebüros bedienen sich digitaler und Online-Tools bei der Beratung.
Wie wirkt sich die Arbeit der bayerischen Reisebüros auf die Wirtschaft des Freistaats aus? Die Menschen buchen dort doch Reisen in andere Destinationen und nicht nach Bayern, oder?
Es stimmt schon, dass Einheimische, wenn sie ein Wochenende in den bayerischen Alpen oder in einem nahe gelegenen Wellnesshotel buchen wollen, normalerweise direkt buchen. Aber unsere Reisebüros vermitteln ja nicht nur die Bayern zum Urlaubmachen ins Ausland, sondern nehmen auch Anfragen von auswärtigen Reisenden entgegen, die nach Bayern kommen möchten und hier beispielsweise nach schönen Hotels suchen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Export von bayerischem Tourismus-Know-how in die ganze Welt. Denn der Freistaat ist bekannt für seine Empfangskultur und seine Gastfreundschaft, und wenn hier neue Trends und Ideen entstehen, dann schaut die Tourismuswelt genau hin und übernimmt davon auch gerne mal etwas. Gerade zu Themen wie Nachhaltigkeit, regionalen Lebensmitteln und Qualität im Tourismus.
Zu den Charakteristiken der Tourismusbranche gehört es zudem auch, dass Fachkräfte international tätig sind, in Hotels und Destinationen weltweit. Und diese international tätigen Fachkräfte vermitteln gerne, wie der Tourismus und Gastlichkeit in Bayern funktionieren. Dieses Wissen wird richtiggehend exportiert, wir stellen das auch immer wieder bei unseren internationalen Reisebüro-Treffen fest.
Ist die Arbeit im Reisebüro attraktiv?
Absolut – der Beruf bietet jede Menge Abwechslung, man ist nah am Kunden und verkauft ein tolles, authentisches Produkt. Zudem profitiert man von einem internationalen Netzwerk mit vielen Entwicklungsmöglichkeiten. Leider wirkt der Begriff „Reisebüro“ gerade auf junge Leute, und damit auf Menschen, die ihre Zukunft planen, etwas verstaubt.
Wir versuchen hier gegenzusteuern und das Berufsbild etwas moderner darzustellen. Als „Reise-Influencer“ zum Beispiel. Denn exakt das tun unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Wie Influencer empfehlen sie spannende, besondere Urlaubstrips. Und wer im Reisebüro arbeitet, bekommt Kontakte in alle Welt und testet auch viele Produkte selbst. Denn so kann man den Kunden in Bereichen, die einem vielleicht selbst wichtig sind – Nachhaltigkeit zum Beispiel – positiv beeinflussen.
Ist es für den Tourismus in Bayern wichtig, dass die Einheimischen selbst auch anderswohin reisen? Zum Beispiel in Sachen Wertschätzung und Akzeptanz des Tourismus?
Tourismus funktioniert nicht als Einbahnstraße. Incoming und Outgoing-Tourismus beeinflussen sich gegenseitig positiv – in Bereichen wie Qualität, Weiterentwicklung, Akzeptanz – und natürlich Weltoffenheit.